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Eine Erwiderung der Kritik an der Kalorienrestriktion

27. März 2011

Der Kalorienrestriktion (CR) haftet der Vorwurf an, kaum umsetzbar zu sein, da sie Hungern bedeuten und höchstens von Asketen mit Freude begangen würde. Noch schwerer wiegt der Vorwurf, dass CR für Normalgewichtige keinen Vorteil oder gar Nachteile bringe, hingegen sei es eine Binsenweisheit, dass Adipöse daraus einen Nutzen zögen. Was ist an diesen Vorwürfen dran?

Im Falle des unterstellten Ausbleibens positiver Effekte für Normalgewichtige muss sich die CR- Forschung die Gründe für den Vorwurf selbst zuschreiben. Verschuldet ist der Vorwurf einerseits der schwammigen Terminologie, anderseits lassen einschlägige Experimente oftmals tatsächlich keinen Schluss für Normalgewichtige zu. Terminologische Unklarheiten ergeben sich, wenn mit den Begriffen „ad libitum“, „normal“ und „adipös“ aoperiert wird. In Studien wird regelmäßig eine Population ad libitum ernährt, was soviel wie „nach gut dünken“ heißt. Dieser wird eine CR-Gruppe entgegengestellt, die z. B. durchschnittlich 40 % weniger Nahrung bekommt. Es ist nun völlig unklar, ob die ad libitum ernährte Population normal ernährt ist, wobei als „normal“ i.d.R. die durchschnittlichen Ernährung einer Gattung gilt, oder gar zu Übergewicht tendiert. Eine Festlegung von Normal- und Übergewicht ist ohnehin nicht Trennscharf und bedarf in entsprechende Studien einer präzisen Definition, die meistens nicht vorliegt. Es ist anzunehmen, dass ad libitum ernährte Versuchstiere tatsächlich zu Übergewicht tendieren. Aus solchen Studien kann folglich keine Aussage über den Nutzen von CR für Normalgewichtige gemacht werden, zumal unklar ist, ob die CR-Gruppe unterhalb oder auf dem Kalorienniveau von normalernährten Probanden liegt.

Es liegen jedoch Untersuchungen – für Menschen (!) – vor, die eine Kalorienbeschränkung unterhalb des Normalgewichts nahelegen. Das trifft sowohl zu, wenn Normalgewicht als das durchschnittliche Gewicht definiert wird oder wenn hierfür das empfohlenen Idealgewicht herangezogen wird. So ist gemäß statistischen Erhebungen für US-amerikanische Männer mittleren Alters die Mortalität am niedrigsten, wenn sie 20 % weniger als der Durchschnitt wiegen.[1] Aus einer anderen US-Studie geht hervor, dass Frauen eine höhere Überlebenschance haben, wenn sie mit einem BMI < 19 unterhalb der empfohlenen Gewichtsspanne wiegen.[2] Und tatsächlich ist für einen BMI von ~19 eine äußerst günstige Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren nachgewiesen.[3] Dieser BMI gilt je nach Standpunkt als Grenzwertig zum Untergewicht oder noch als unterstes Normalgewicht. Unter Beachtung des eben Gesagten, spricht Vieles für diese Zielmarke im Rahmen der CR.

Bei einem BMI von ~19 kann selbst unter den wohl recht hohen Konsensannahmen nicht von einem defizitäreren Ernährungszustand oder Hungern, allerhöchstens äußerst moderatem Hungern gesprochen werden. Die Gleichsetzung von CR mit Hungern ist daher falsch.Voraussetzung, in den Genuss der positiven Wirkungen der CR zu kommen, ist freilich die knapp bemessene Nahrung möglichst optimal zusammenzustellen, um Defizite an essentiellen Nährstoffen zu vermeiden. Diesem Aspekt trägt die Bezeichnung CRON (calorie restriction with optimal nutrition) Rechnung, die als Name für eine eigenständige, CR-basierte Diätform verwendet wird. Aber auch das scheint nicht die zutreffendste Bezeichnung zu sein. Der Begriff Restriktion impliziert einen Verzicht, der Leistungseinbußen und verminderte Lebensqualität vermuten lässt. Dennoch wird unter CR eine ausgeglichene Energiebilanz und volle Leistungsfähigkeit gewährleistet. Eine präzisere Bezeichnung wäre beispielsweise kalorien- und nährstoffoptimierte Anti-Aging-Ernährung (caloric and nutrient optimization).


Quellenangaben
[1] Lee IM u. a., Body weight and mortality. A 27-year follow-up of middle-aged men, 1993; Link

[2] Manson JE u. a., Body weight and mortality among women, 1995, Link

[3] Luigi Fontana u. a., Long-term calorie restriction is highly effective in reducing the risk for atherosclerosis in humans, 2003, Link
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